Warum Amri ein Fall des GBA gewesen wäre

Warum man Anis Amri vor der Beschaffung dessen Passersatzpapiere (PEP) nicht mit den Möglichkeiten herkömmlicher Strafverfolgung  daran gehindert hatte, seine Pläne eine staatsgefährdende Gewalttat zu verwirklichen, bleibt weiterhin unbeantwortet.

Argumente, dass die Beweislast gegen den tunesischen Staatsbürger nicht ausreichend gewesen seien für eine zielführende Anklage, erweisen sich im Nachhinein als unzutreffend.

Bereits im Januar des Jahres 2016 war in einem durch das Bundesamt für Verfassungsschutz ausgestellten Behördenzeugnis amtlich bestätigt worden, dass Amri plante, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat in der Bundesrepublik Deutschland auszuüben und in dieser Absicht Beziehungen im Ausland aufgenommen hatte. Das Bundeskriminalamt hatte zwar die hierfür erforderlichen Beweise in Form einer Kopie der Handydaten des Tunesiers sichergestellt, diese aber offiziellen Mitteilungen zufolge erst nach dem Terroranschlag ausgewertet. Auf der Grundlage dieser Beweise wäre eine strafrechtliche Verurteilung gemäß § 89a (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat) der Strafverfolgung unmittelbar umsetzbar gewesen.

Dessen ungeachtet sieht die Gesetzgebung bei Aufnahme von Beziehungen zur Begehungeiner schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89b StGB in schweren Fällen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor. Da Amri in entsprechender Absicht aktiv Kontakte zu Dritten hergestellt und mit der Beschaffung von Schnellfeuergewehren des Typs AK 47 auch Pläne für die Umsetzung eines Terroranschlags konkretisiert hatte, konnte strafrechtlich nicht vom Ansatz einer geringen Schuld ausgegangen werden.

Weiterhin wurde im Rahmen der Telefonüberwachung amtlich registriert, dass Amri im Februar 2016 Telefonate mit Vertretern des Islamischen Staates führte und dabei über Pläne zu einer Douqma, des in Islamistenkreisen geläufigen Codeworts für Selbstmordanschlag, kommuniziert hatte. Nach § 129 StGB ist schon der Versuch der Bildung einer kriminellen Vereinigung strafbar. In seinem Kontakt zum IS und den darin offenbarten Anschlagsplänen war Amri als ein in Deutschland verorteter ideologischer Vertreter der Terrormiliz aktiv geworden und hatte darüber hinaus aktiv um Mitglieder und Unterstützer für die Interessen der Organisation geworben. Für ein entsprechendes Tatverhalten sind Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren vorgesehen.

Bei einem Sammelermittlungsverfahren wäre das Strafmaß nicht unter drei Jahren zu erwarten gewesen. Dennoch wurde eine strafrechtliche Ahndung des tunesischen Staatsbürgers unterlassen.

Sarah Körfer (2. Juli 2020, aus der 95. Sitzung des 1. UA. im Deutschen Bundestag)

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