Die Rolle der Bundesnachrichtendienste

Am Donnerstag, den 1. Oktober 2020 wird die 101. Sitzung des 1. Untersuchungsausschusses der 19. Wahlperiode im Deutschen Bundestag stattfinden. Während des öffentlichen Teils der Sitzung aussagen werden Beamte des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Begrenzt auf den nichtöffentlichen Teil der Sitzung sind die Aussagen zweier Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes.

Das Ausmaß der Bestrebungen, mit denen die Aktivitäten des deutschen Inlandsnachrichtendienstes im Umfeld des mutmaßlichen Attentäters hatten dementiert werden sollen, wurden unter anderem durch den Druck deutlich, den der damalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz auf die Medien ausgeübt hatte um die Öffentlichkeit vor „Falschberichterstattungen“ „zu schützen“.

Falsche Angaben gemacht hatte der Bundesinlandsnachrichtendienst auch in der öffentlichen Antwort auf eine kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: hierin hieß es, dass durch das Bundesamt für Verfassungsschutz keine Vertrauenspersonen im Umfeld des mutmaßlichen Attentäters eingesetzt worden waren.

Hinweise aus dem Berliner Abgeordnetenhaus, denen zufolge durch die Abteilung II der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport für den Sachverhalt Terroranschlag Breitscheidplatz relevante Akten vernichtet worden waren bevor diese durch externe Kontrollinstanzen eingesehen werden konnten, wurden bislang weder durch die Senatsverwaltung selbst noch durch deren aufsichtsführende Behörde weiterverfolgt.

So ist es wenig verwunderlich, dass zunächst davon ausgegangen worden war, die causa Amri als „reinen Polizeifall“ darstellen und dieser Erklärung außerdem das notwendige Maß öffentlicher Akzeptanz verleihen zu können, um den „Fall Amri“ als effektive Grundlage späterer politischer Entscheidungsprozesse verwenden zu können.

Die Versuche, den mutmaßlichen Attentäter Anis Amri als „reinen Polizeifall“ darzustellen um eine tragende Rolle der Nachrichtendienste im Zusammenhang mit dem bislang größten in der Bundesrepublik Deutschland verübten Terroranschlag öffentlich zu dementierten, blieben jedoch erfolglos.

Denn neben dem Bundeskriminalamt ist das Bundesamt für Verfassungsschutz die hauptverantwortliche Bundesbehörde für die zentralisierte Verwaltung sicherheitsbehördlicher Informationsflüsse in der Kooperations- und Kommunikationsplattform der Terrorismusabwehr.

Grundsätzliche Widersprüche wirft die Leugnung nachrichtendienstlicher Anteile bei der Bearbeitung der Akte des im Vorfeld des Terroranschlags im Großraum Berlin und Brandenburg als Topgefährder gehandelten Amri auch dadurch hervor, dass seit zwei Jahrzehnten die politische Raison d’être eines in der Praxis unkontrollierbaren Behördenzweiges hauptsächlich durch den Phänomenbereich islamistischer Terrorismus geschaffen wird.

Denn durch die kontinuierliche Berufung auf Interessen der Geheimhaltung durch die mit dem Staatsschutz beauftragten Dienststellen entsteht ein behördliches Handlungsvakuum, das die Kontrollbefugnis eines parlamentarischen Staatssystems an seine Grenzen führt und die Unverträglichkeit zwischen Demokratie und Geheimdiensten verdeutlicht und auf diese Weise den Wesensgehalt des bundesrepublikanischen Staates selbst infrage stellt.

 

 

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