Warum wurden polizeiliche Ermittlungsarbeiten torpediert?

Letzte Woche fand ich beim Spazierengehen einen Vogel dem die Kehle durchtrennt worden war. Die auffällig gesprenkelte Maserung auf der hellen Brust des Vogels machte deutlich, dass es sich um einen Singvogel gehandelt hatte.

Es gibt Sprachen und Anzeichen. Sprachen, die ein Anzeichen sein wollen, und Anzeichen die eine deutliche Aussage haben. Sprachen, durch die versucht wird, eine Nachricht zum Ausdruck zu bringen, deren Inhalt, würde er auf herkömmlichen Kommunikationswegen formuliert, die Grundlage für eine strafrechtliche Ahndung schaffen würde.

Und es gibt Sachverhalte, die unvermeidlich Ausdruck in strafrechtlich relevanten Handlungen finden. Die im Kontext des Berliner Terroranschlags erfolgten vorsätzlichen Manipulationen von polizeilich erarbeitetem Beweismaterial macht nicht nur einen Mangel an Respekt deutlich vor der Arbeit derer, die für dessen Zusammenstellung verantwortlich sind und denen ein authentisches Interesse zuzutrauen ist an der Umsetzung zielführender Verfahren des Staatsschutzes. Sie sind zugleich ein Anzeichen für schwerwiegende und unbedingt zu behebende politische Missstände.

Die Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland hat sich in den vergangenen sieben Jahrzehnten fortwährend und parallel zum Rechtsstaat weiterentwickelt. Es mag wohl so sein, dass an manchem diese Entwicklung vorbeigelaufen ist, aber die Anzahl polizeilicher Beamter mit verfassungswidriger Gesinnung ist sehr viel weniger groß als die Stimmen derer, die darauf hinzuweisen suchen und derartige Tendenzen mit Inbrunst verfolgen.

In der Regel haben die Beweggründe in den Polizeidienst einzutreten jedoch eine politisch weniger verfängliche Ideologie: man möchte ein Teil der Sicherheitsarchitektur sein, durch welche Staat und Gesellschaft geschützt und getragen werden.

Das Gefühl, ein legitimierter Teil staatlicher Rechtmäßigkeit zu sein und dieses Recht in der Gemeinschaft aktiv anwenden und schützen zu können, ist dabei tatsächlich ein noch weitläufigerer Grund, als die Perspektive eines soliden Beschäftigungsverhältnisses und den damit einhergehenden Entwicklungsmöglichkeiten in einem staatlichen Exekutivorgan.

Ein zentraler Aspekt der Polizeiarbeit ist die Tatsache, diese gruppenideologische Auffassung mit anderen zu teilen. Und effektive Polizeiarbeit wird erst durch die tragende Gemeinschaft im polizeilichen Umfeld ermöglicht. Ein förderliches Sozialverhalten ist daher eine unerlässliche Eigenschaft für das Personalprofil.

Jedoch entstehen Konflikte, wenn Einzelne aus dem System ausscheren und mit etablierten Normen und Werten brechen. Diese Kontroversen entstehen vor allen Dingen dann, wenn kaskadenförmig erfolgende Anweisungen einen Gegensatz bilden zu etablierten Normen des Kollektivs und dessen Rechtsauffassung.

Im Gegensatz zu dem breiten Spektrum nachrichtendienstlicher Mitarbeiter und der Behörden die sie vertreten, deren organisatorischer Aufbau die Entwicklung sattelitenstaatlicher Strukturen ermöglicht, haben Vertreter der Polizei in der Regel eine ausgeprägte Loyalität gegenüber dem Staat mit dessen Schutz sie beauftragt sind.

Die Aufarbeitung des Komplexes um den bislang schwersten in der Bundesrepublik Deutschland verübten Terroranschlag hat den Unterschied zwischen der sicherheitsbehördlichen Arbeitsweise der Landeskriminalämter und dem organisatorischen Aufbau der in die causa Amri involvierten Nachrichtendienste wiederholt verdeutlicht:

Amri, der in der öffentlichen Aufarbeitung als Vertreter islamistisch motivierter Kriminalität als Einzeltäter und als „lone wolf“ gehandelt werden sollte, war tatsächlich Bestandteil des „harten Kerns“ eines radikalislamischen Personenkreises der inzwischen geschlossenen Fussilet-Moschee.

Die Bedeutung der Fussilet Moschee innerhalb für die in den letzten fünf Jahren in der Bundesrepublik Deutschland neu formierten Islamistenszene wurde jedoch wiederholt heruntergespielt: Zeugen aus dem Umfeld des Bundeskriminalamts und der Landesämter und des Bundesamtes für Verfassungsschutz hatten auf eine Reihe von Moscheen im Berliner Großraum hingewiesen, durch deren Mitglieder im fraglichen Zeitraum ein vergleichbares Gewaltpotential ausgegangen sei wie jenes, dass im Vorfeld des Berliner Terroranschlags in der Fussilet Moschee beobachtet werden konnte.

Am 14. Februar 2019 sagte der leitende Kriminalbeamte des Berliner Landeskriminalamts Axel B. jedoch aus: „Der Bereich in Berlin der islamistisches Potential hatte, war durchaus bei der Fussilet Moschee anzusiedeln.“ Der Kriminalbeamte muss es wissen: seit 2011 führt er die Leitung des Dezernats in den Bereichen politisch motivierter Kriminalität religiöser Ideologie (Islamismus) im Großraum Berlin.

Zu einer nachrichtendienstlich geführten Quelle in der Fussilet-Moschee hatte der Leiter des Berliner Landeskriminalamts Christian Steiof am 21. Februar 2019 vor dem bundesparlamentarischen Untersuchungsausschuss ausgesagt: „das BfV hat erwartet, dass wir darüber Stillschweigen bewahren. Das kam für uns überhaupt nicht in Frage.

Wenige Tage nach der Aussage des Präsidenten des Landeskriminalamts sagte dessen Mitarbeiterin, die Kriminalkommissarin W., am 25.1.2020 zwischen 11:30 und 11:36 Uhr vor dem Berliner Untersuchungsausschuss aus, dass sich die Fortführung der Observation Anis Amris einer Mitteilung des Oberstaatsanwaltes zufolge als „schwierig“ gestaltet hätte, da nicht genügend Hinweise für die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat vorgelegen hätten.

Da eine richterliche Genehmigung vorlag, mit der die Telekommunikationsüberwachung des mutmaßlichen Urhebers des in Berlin verübten Terroranschlags legitim hätte fortgeführt werden können, war diese Information indes falsch. Über diesen Sachverhalt hätte der Oberstaatsanwalt informiert sein müssen und stand in der Verantwortung, auch das Berliner Kriminalamt darüber in Kenntnis zu setzen. Warum dieser Schritt unterblieb, bleibt bislang ungeklärt.

Auch über die strafrechtliche Grundlage der polizeilichen Maßnahmen habe man die Kriminalkommissarin im Unklaren gelassen: „Wir haben keine Hinweise bekommen, was eigentlich der Tatverdacht war.“

Sie selbst sei der Aufgabe nachgekommen, die über einen Zeitraum von acht Monaten gewonnenen Erkenntnisse der polizeilichen Telekommunikationsüberwachung zusammenzufassen und in das Polizeiliche Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung, kurz POLIKS, einzuspeisen. Das Informationssystem dient als zentrale Schnittstelle für die Staatsanwaltschaften und Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes.

In ihrem Bericht hatte die Kriminalkommissarin auf den durch die TKÜ-Maßnahmen des Berliner Landeskriminalamts festgestellten „banden- und gewerbsmäßigen“ Drogenhandel des Tunesiers hingewiesen. Bestätigt worden war die Zeugin in ihrer Auffassung, dass es sich bei den Aktivitäten Anis Amris tatsächlich um einen gewerbsmäßigen Drogenhandel gehandelt hatte zusätzlich durch ihren Kollegen P. Auf der Grundlage des Berichtes sollte der damalige Vorgesetzte der Zeugin, Kriminaloberkommissar L., eine Strafanzeige formulieren und an die Berliner Staatsanwaltschaft weiterleiten.

Warum ihr Bericht trotz verschiedener Aussagen, denen zufolge jede denkbare Möglichkeit ausgeschöpft worden sei, den als gefährlich geltenden Anis Amri „aus dem Verkehr zu ziehen“, nicht an die Berliner Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden war, kann die Zeugin sich nicht erklären. Als sie davon erfuhr sei sie, sagt die Zeugin, „aus allen Wolken gefallen“. Denn für sie sei klar gewesen, dass der Aspekt eines gewerbsmäßigen Rauschgifthandels zentral gewesen sei für ihre Arbeit. Aufgrund dieser Auffassung sei es zu einem Zerwürfnis zwischen ihr und ihrem Vorgesetzten gekommen.

So war der Vorgang am 19. Januar 2019 im Nachfeld des Terroranschlags und in einer entschärften und verkürzten Fassung an die Berliner Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden. In diesem Bericht wurde der Rauschgifthandel des späteren Terroristen nicht mehr als „banden- und gewerbsmäßig“ beschrieben: in der späteren Fassung war der Verweis auf den gewerbsmäßigen Drogenhandel auf „möglicherweise Kleinsthandel“ umformuliert worden.

Die Theorie, mit der die Urheberschaft des bislang schwersten in der Bundesrepublik Deutschland verübten Terroranschlags auf den tunesischen Staatsbürger Anis Amri eingegrenzt werden soll, einen Mann, der aus dem Untergrund mit der Umsetzung eines Anschlagsszenarios überraschen konnte und der sich monatelang den Berliner Strafverfolgungsbehörden entziehen konnte, lässt sich nicht mehr halten.

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