12. Sitzung des Untersuchungsausschusses ‚Terroranschlag Breitscheidplatz‘

Am 20. April 2018 wird um 10:05 Uhr im Berliner Abgeordnetenhaus die 12. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Terroranschlag Breitscheidplatz“ vom Vorsitzenden Burkhard Dregger eingeleitet. Kurz zuvor hatten sowohl Herr Dregger als auch der Abgeordnete Hakan Taş als Mitglieder des Untersuchungsausschusses noch persönlich die anwesenden Opferangehörigen und die Vertreter der Presse begrüßt.

Kurze Zeit später werden Besucher und Pressevertreter gebeten, den Saal zu verlassen da über die Zulässigkeit der Anwesenheit eines nicht als Zeugen geladenen Beamten des LKA beraten wird. Ich nutze die so entstandene Pause um mich mit einer Journalistin des Tagesspiegels zu unterhalten. Auch sie beschäftigt sich explizit mit dem Fall Amri und wohnt den Sitzungen des Untersuchungsausschusses eigenen Angaben zufolge regelmäßig bei.

Nach einigen Minuten werden Presse und Besucher wieder hinein gebeten und die Vernehmung des ersten Zeugen beginnt. Der Zeuge (männlich, mittleren Alters) gehört dem 5. Abschnitt des LKA an, der Staatsschutzabteilung, deren Mitarbeiter sich mit der „Verhinderung und Bekämpfung politisch motivierter Straftaten“ befassen [1]. Innerhalb dieser Abteilung leitet der Zeuge das Dezernat 54., dessen Aufgabenbereich in politisch motivierter Kriminalität und Islamismus besteht.

Der Zeuge betont die „Kompetenz und Leistungsstärke“ seiner Abteilung, die in den Medien mit einem „Gesamtbild des Dilettantismus“ dargestellt worden sei. Er fährt fort, Aufbau und Zuständigkeitsbereiche seines Dezernats zu beschreiben und, als wesentlichen Aspekt der Untersuchungsprozesse, die Schnittstellen zu anderen Sicherheitsbehörden zu erklären. Auf die Frage des Vorsitzenden gibt der Zeuge an, dass der behördenübergreifende Informationsfluss mit Bezug auf den als „Gefährder“ kategorisierten Amri „sehr direkt“ und zu jedem Zeitpunkt gewährleistet gewesen sei und es im Verlauf der Ermittlungen keine kommunikativen Schwachpunkte zwischen involvierten Sicherheitsbehörden gegeben habe.

Auch bei den richterlichen Genehmigungen zum Einsatz von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen und Observationsmaßnahmen hätte es keine Einschränkungen gegeben. Allein bei den personellen Ressourcen für die Durchführung der Observationsmaßnahmen hätte man vor dem Anschlag erhebliche Engpässe durchlaufen und entsprechende Kompromisse machen müssen. Dabei benutzt der Zeuge Begriffe wie „Pandemie“ und sagt aus: „Wir waren am kollabieren“. Mit Überlastungsanzeigen habe man in seiner Abteilung versucht sich über die so entstandenen personellen Engpässe hinwegzuhelfen.

Diese Aussage scheint der Tatsache, dass der Zeuge im fraglichen Zeitraum dennoch eine berufliche Nebentätigkeit als Unternehmensberater hatte ausführen können, zu widersprechen. Dass diese in den Medien erwähnt worden war scheint der Zeuge allerdings als irreführend zu bewerten. Denn er, der Zeuge, habe, wie er wiederholt betont, in seiner Abteilung etliche Überstunden geleistet. Wie er es zeitlich dann noch bewerkstelligt habe, einer beruflichen und nebentätlichen Beschäftigung nachzugehen, will der Vorsitzende wissen. Auf weitere Fragen des Vorsitzenden räumt der Zeuge schließlich ein, dass die von ihm geleisteten Überstunden von ihm angerechnet und mit Freistunden abgegolten worden waren.

Offiziellen Angaben zufolge waren die Observierungsmaßnahmen, mit denen der im Dezember desselben Jahres verübte Terroranschlag hätte verhindert werden können, am 14. Juni 2016 beendet worden. Dass man die Observierung beendet hätte sei den personellen Engpässen zuzuschreiben. Immer wieder beteuert der Zeuge dabei die Entschlossenheit, mit der man die Öffentlichkeit vor dem Terroristen habe schützen wollen. Und die Hilflosigkeit der Sicherheitsbehörden entsprechende Absichten umzusetzen. Dieser Aussage wiederspricht jedoch die Tatsache, dass gegen Amri trotz konkreter Möglichkeiten niemals ein Haftbefehl erlassen worden war. Denn auch durch die Umsetzung dieser Maßnahme wäre der Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz verhindert worden.

„Außerdem“ fährt der Zeuge fort „sind solche Maßnahmen [die Observierungsmaßnahmen] zeitlich zu begrenzen, da sonst auch der ungeschickteste Kriminelle irgendwann merkt, dass er observiert wird“. Die Einrichtung von Observierungsmaßnahmen, die mit technischen observationsstützenden Begleitmaßnahmen umgesetzt werden, erfordert heutzutage nicht mehr die Positionierung von Hardware im räumlichen Umfeld der Zielperson. Dennoch entsteht durch die Aussage des Zeugen der Eindruck, dass eine typische Observierungssituation Blickkontakt zur Zielperson erfordern würde und Observierungsmaßnahmen über einen längeren Zeitraum damit nicht umsetzbar wären.

Observierungen von Nachrichtendiensten und sonstigen sicherheitsbehördlichen Einrichtungen jedes Mitgliedstaates der Dachorganisation Interpol erfolgen seit mehreren Jahrzehnten nicht ohne den Einsatz entsprechender technischer Hilfsmittel. Tatsächlich können Observierungsmaßnahmen daher ohne eine entsprechende Kenntnisnahme der Zielperson problemlos über einen Zeitraum mehrerer Jahre erfolgen [2]. In der Position als leitender Angestellter des Dezernats 54. und damit mitverantwortlich für die Observierungsmaßnahmen einer Person, von der eine staatsgefährdende Straftat zu erwarten war, war der am 20. April 2018 vernommene Zeuge über entsprechende Verhältnisse informiert.

Als zusätzliche Begründung der zeitlichen Begrenzung der Observierungsmaßnahmen war diese Zeugenaussage falsch. Weiterhin kann diese von einem Sicherheitsbeamten ausgehende Fehlinformation nicht ohne Weiteres mit dem Hinweis auf die Wahrung „operativer Geheimhaltung“ erklärt oder gerechtfertigt werden. Denn es steht Zeugen jederzeit frei, ihre Aussagen vor den Untersuchungsausschüssen mit einer entsprechenden Begründung zu verweigern [2]. Der hier aussagende Zeuge hat mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vorsätzlich falsche Angaben gemacht.

Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses „Terroranschlag Breitscheidplatz“ scheint über die Umsetzung zeitgemäßer Untersuchungsmaßnahmen nicht informiert zu sein (was als Jurist und Abgeordneter des Berliner Abgeordnetenhauses auch nicht seinem Aufgabenbereich entspricht); denn über die Aussage des Zeugen zeigt er sich weder erstaunt noch knüpft er mit weiteren Fragen daran an.

Ob es nicht möglich gewesen wäre, den Terroristen aufgrund der regelmäßig erfolgten Verstöße gegen das Betäubungsmittelschutzgesetz „aus dem Verkehr zu ziehen“ erkundigt sich der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses. „Im Nachhinein“ sei das „spekulativ“ sagt der Zeuge. Nachdem er kurz zuvor ausgesagt hatte, dass Amri vor den Augen der Behörden „mehrere Menschen in Clubs“ unter anderem mit Ecstasy (und eventuell härteren Drogen) „versorgt“ hatte fügt er hinzu, dass man die strafrechtliche Verfolgung von Drogenhandel in Berlin ohnehin nicht allzu ernst nähme („was Drogendelikte betrifft kann man da in Berlin nicht einfach so eingreifen“).

„Wäre es möglich gewesen“ will der Vorsitzende wissen, „den Gefährder Anis Amri aufgrund anderer Straftaten aus dem Verkehr zu ziehen?“ Dabei spricht er einen Vorfall an, der sich am 11. Juli 2016 in einer Shisha-Bar ereignet hatte; damals hatte Amri schwere Körperverletzung verübt und die Polizei hatte den Vorfall aufgenommen. Dennoch war keine Strafanzeige gegen Amri erfolgt. Diesen Umstand erklärt der Zeuge unter anderem damit, dass man die „laufenden Ermittlungen“ nicht habe „gefährden“ wollen. Die Eigenartigkeit dieser Aussage, laufende Ermittlungen gegen einen oder mehrere Terroristen nicht gefährden zu wollen um mit vorsätzlicher Passivität die tatsächliche Ausführung eines Terroranschlages abzuwarten scheint nicht aufzufallen.

Die weiteren Antworten des Zeugen erfolgen zögerlich und unklar, dennoch ist ihnen zu entnehmen, dass es tatsächlich möglich gewesen wäre, den Terroristen aufgrund verschiedener Delikte und krimineller Handlungen bis zur Abschiebung in Haft zu nehmen. Die Aussage des Zeugen, der zufolge Sicherheitsbehörden alles in ihrer Macht stehende getan hätten um den Terroranschlag zu verhindern, war damit in ihrem Kerngehalt falsch. Denn auch die Maßnahme einer strafrechtlichen Verfolgung hätte die Ausführung des Terroranschlages verhindern können.

In diesem Zusammenhang wurden einige, allerdings nicht alle Möglichkeiten genannt, die den Behörden vor der Ausübung des Terroranschlages zu dessen Verhinderung zur Verfügung gestanden haben. Bei entsprechender Recherche wird sehr schnell deutlich, wie wenig plausibel es wäre, das Ausbleiben dieser Maßnahmen mit Unwissenheit oder sicherheitsbehördlicher Hilflosigkeit oder Nachlässigkeit erklären zu wollen.

Über die fehlerhaften Angaben des Zeugen mit Bezug auf die Umsetzung der Observierungsmaßnahmen habe ich den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses „Terroranschlag Breitscheidplatz“ am folgenden Werktag schriftlich in Kenntnis gesetzt.

 

[1] Darüber hinaus werden im Dezernat 54. auch Delikte geheimdienstlicher Agententätigkeiten bearbeitet.

[2] Derartige Praktiken wurden unter anderem regelmäßig in der ehemaligen Deutsch Demokratischen Republik durchgeführt. Wer den zeitgemäß ausgestatteten Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik Deutschland des zweiten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts entsprechende Möglichkeiten abzustreiten versucht, setzt ein hohes Maß an Informationsermangelung bei seinen Ansprechpartnern voraus.

[3] Informationsaustausch im Bundestaghttp://telaviv-berlin.com/?p=765

 

 

 

Ich verfüge über Informationen die bislang nicht an die Öffentlichkeit gedrungen sind. Darum werde ich mich so lange für eine rückhaltlose Aufklärung der Hintergründe des am 19. Dezember 2016 auf dem Berliner Breitscheidplatz verübten Terroranschlags einsetzen, bis diese gewährleistet ist.

 

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