Als erste Zeugin der 47. Sitzung des zur Aufklärung des Sachverhalts Terroranschlag Breitscheidplatz eingesetzten Untersuchungsausschusses wurde die Kriminalhauptkommissarin Karin van Elkan geladen. Die 41-Jährige ist seit dem Jahr 2000 im Staatsschutz beim Bundeskriminalamt tätig; begonnen hatte sie ihre Laufbahn beim BKA drei Jahre zuvor.
Die Zeugin gibt an, dass die in der Ermittlungskommission EISBÄR, die als Gefahrenabwehrvorgang begonnen hatte, eingesetzten Beamten zunächst angenommen hatten dass Amri einen Anschlag in Dortmund plante. Er habe sich mit Habib Salim über den „schönen Tot“ unterhalten. Daraufhin habe man den Koffer aus Tunesien abgefangen –in der Annahme, dass der Koffer Sprengstoffe enthielt. Denn Amri hatte den Inhalt des Koffers stets als „die Sache“ bezeichnet. Nach dem Zugriff allerdings wurde den Beamten ersichtlich, dass es sich bei dem Inhalt um Datteln und Rosenwasser gehandelt hatte. Ob „Datteln und Rosenwasser“ Codewörter gewesen sein könnten lautet die Frage eines Abgeordneten. Die Zeugin weiß es nicht.
Eine andere Abgeordnete erkundigt sich, ob die abgeschöpfte Kommunikation ein „Test“ gewesen sein könne. Vielleicht hatten die zum damaligen Zeitpunkt Terrorverdächtigen einen Verdacht, im Fokus polizeilicher Ermittlungen zu stehen. „Möglich ist alles“ sagt die Zeugin. Weiterhin thematisiert wurden die Wohnraumüberwachung der Terrorverdächtigen im Ermittlungsverfahren LACRIMA und die Ermittlungskommission EISBÄR –beide Verfahren liefen parallel. Die zentrale Figur des Gefahrenabwehrvorgangs LACRIMA war den Angaben der Zeugin zufolge Dennis Cuspert. Auch der Ermittlungsvorgang PYRAMIDE, ein Verfahren das gegen Personen gerichtet war die nach Syrien ausreisen wollten um sich dem IS anzuschließen wurde während der 47. Sitzung erläutert.
Ohne sich „festlegen“ zu wollen gibt die Zeugin an, dass das Ermittlungsverfahren LACRIMA, das im Februar 2015 begonnen hatte, Anfang 2016 abgeschlossen worden war. Auf die Frage des Abgeordneten Benjamin Strasser in welchen Moscheen die Ermittlungskommissionen LACRIMA und EISBÄR geführt worden waren, gibt die Zeugin an, dass diese in der Seituna, der Alsalam (Kleve), der Fussilet (Berlin) und noch „irgendeiner anderen Moschee“ geführt wurden. Weiterhin spricht der Abgeordnete die „TKÜ-Überwachung auch von Amri“ an -die ja dann nach dem Anschlag auch in der BAO City gelandet sein müsste. Und eie die Stimmung nach dem Anschlag gewesen sei erkundigt er sich. „Die Stimmung war natürlich kacke“ sagt die Zeugin und klingt trotz der umgangssprachlichen Ausdrucksweise sehr ernst. „Wir waren stolz darauf, eines der wenigen Länder gewesen zu sein die im Fokus des IS gestanden hatten und in dem kein Anschlag passiert war“ fügt sie hinzu.
Auf die Frage nach der Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden antwortet die Zeugin „das Übliche ist FBI“. Bei der Erläuterung zu den eingesetzten technischen Maßnahmen sagt sie: „Ich weiß nicht, was die Amerikaner alles können.“ Der Abgeordnete Benjamin Strasser fügt hinzu: „Ich auch nicht.“
Als das Pariser Attentat zur Sprache kommt interveniert die Mitarbeiterin Kenntemich der Generalbundesstaatsanwaltschaft mit dem Hinweis, dass kein Bezug zum Untersuchungsgegenstand bestünde: „Nach meinem Erkenntnisstand gibt es da keine Bezüge.“ Dem wiederspricht die Abgeordnete Martina Renner: die Vermutung läge „sehr sehr nahe“ dass es dort Bezüge nach Paris gegeben haben könne.
Die Zeugin gibt an, dass ihre Abteilung auch die verschiedenen Videoaufnahmen des auf dem Berliner Breitscheidplatz verübten Attentats ausgewertet hatte. Ein Video war vom Gast eines angrenzenden Hotels aufgenommen worden –ein „recht umfangreiches Video“ wie es hieß. Die Qualität der Aufnahme sei allerdings so mangelhaft, dass sie für den Ermittlungssachverhalt unerheblich sei. Die wichtigste Videoaufnahme sei indes durch eine auf dem Europacenter platzierte Kamera einer privaten Sicherheitsfirma entstanden. Dieses Video allerdings war den Beamten des Bundeskriminalamts nur in gekürzter Fassung zur Verfügung gestellt worden. Die Originalfassung habe die Zeugin nicht zu Gesicht bekommen.
„Die ganze Version haben wir nicht in den Akten.“
Persönlich führte sie diesen Sachverhalt darauf zurück, dass es Momente gegeben hatte, in denen das „Gesichtsfeld der Kamera“ aus dem Umfeld des Breitscheidplatz heraus geschwenkt war. Diese unerheblichen Sequenzen seien im Nachgang aus der Originalaufnahme geschnitten worden.
Diese Erklärung jedoch ist ermittlungstechnisch wenig plausibel: zur Ermittlung des Hergangs eines terroristischen Anschlags der zwölf Todesopfer gefordert hat hätte nur das Originalvideo zur Verfügung gestellt werden dürfen. Die Tatsache, dass für den Tathergang vermeintlich irrelevante Aufnahmen aus den Originalaufnahmen heraus geschnitten wurden und den Ermittlern nur die gekürzte Kopie zur Ermittlung des Tathergangs zur Verfügung gestellt wurde ist eine weitere Auffälligkeit in Fall Terroranschlag Breitscheidplatz.
Thematisiert wird weiterhin die Überstellung von Asservaten an das Bundesamt für Verfassungsschutz. Um festzustellen, ob davon Erkenntnisse an das Bundeskriminalamt weitergeleitet worden waren, müsse die Zeugin aber in ihre Akten schauen. Auch die Erkenntnisgewinnung durch das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz wird angesprochen. (Dabei nennt die Abgeordnete Martina Renner den Namen einer Quelle und wird darauf hingewiesen, zur Sicherheit der für den Verfassungsschutz tätigen Nachrichtenmittler keine Namen zu nennen. „Weil das ein Spitzel war?“ will die Abgeordnete wissen. Der Name sei in den Unterlagen weder geschwärzt noch als vertraulich gekennzeichnet worden.)
Um 17:41 Uhr wird die Zeugin Karin van Elkan verabschiedet.
Autorin: Sarah Körfer, protokolliert während der 47. Sitzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, überarbeitet und veröffentlicht am 5.4.2019