Den Aussagen des Kriminalhauptkommissars M. aus Nordrheinwestphalen zufolge hatten Bundessicherheitsbehörden spätestens am 15.11.2015 Kenntnis über die Identität Amris und dessen tatsächliche Staatsbürgerschaft. Es wäre realitätsfern zu behaupten, die tunesischen Behörden hätten der Bundesrepublik Deutschland auf dieser Grundlage eine Ausstellung von Passersatzpapieren für die Person Anis Amri verweigern können. Denn das Gefahrenpotential des späteren Attentäters Anis Amri, der, anders als von den in relevante Ermittlungsvorgänge involvierten Bundesbehörden zunächst behauptet, kein „einsamer Wolf“ sondern ein in islamistischen Netzwerken aktiver brandgefährlicher Islamist war, hatte sich bereits im Jahr 2015 verdeutlicht.
Bei einer formalen Antragstellung auf Passersatzpapiere für einen tunesischen Staatsbürger hätte Tunesien die politische Verantwortung für das durch einen tunesischen Staatsbürger ausgehende Risiko für die innere Sicherheit eines Schengen-Staates nicht übernehmen können indem es Deutschland die Ausstellung von Passersatzpapieren verweigert hätte. Dennoch ist dieses mehr als unwahrscheinliche Szenario internationaler Beziehungen die Grundlage für die Untersuchung des „Sachverhalts Amri“ und dessen Handhabung innerhalb der Bundessicherheitsbehörden.
Veröffentlicht am 18.12.2019
Quelle: 69. Sitzung UA ‚Terroranschlag Breitscheidplatz‘, Deutscher Bundestag, 14. November 2019