Am 5. März 2020 beginnt der Polizeiobermeister Y. K. seine Aussage. Der heute 37-jährige Zeuge trägt während der Anhörung eine Brille und eine dunkelgraue, mittellange Perücke. Angesiedelt war der Zeuge, der angibt, seit dem Jahr 2013 in der Abteilung 642 des Berliner Landeskriminalamts tätig gewesen zu sein, eigentlich ganz unten in der Sicherheitsarchitektur.
Im Dezernat Aufklärung /Operative Dienste der Abteilung 6 des Berliner LKA war der Zeuge als szenekundiger Beamter im Bereich „Islamismus“ aktiv und war dem späteren Attentäter Anis Amri während seiner Dienstzeit im Rahmen offen geführter Ermittlungen insgesamt zwei Mal begegnet.
Im Vorfeld des Terroranschlags war der Zeuge im Polizeidienst Streife gefahren und hatte dabei jeden zweiten Tag vor der Fussilet-Moschee in Moabit geparkt um nachzuvollziehen, wer dort verkehrte. Der Zeuge gibt an, bei den Observationen auch von den Zielpersonen wahrgenommen worden zu sein. „Total normal“ findet der Zeuge die Tatsache, nicht über die zwei Kameras informiert gewesen zu sein, mit denen der Eingang der Fussilet-Moschee nachrichtendienstlich überwacht und gefilmt worden war während er selbst wenige Meter entfernt in einem Streifenwagen gesessen und den Personenverkehr vor der Moschee beobachtet hatte.
Den späteren Attentäter kennengelernt hatte der Zeuge am 6.12.2015 durch eine Observation von Ben-Ammar. Dabei war ihm Amri als Ahmed al-Masri vorgestellt worden. Auf die Frage nach der Kenntnis über die Gefährlichkeit des Mannes antwortet der Zeuge schlicht: „Ich habe nur mitbekommen, dass es Observationen gab, dass er observiert wird.“ Von den durch das nordrheinwestfälische Landeskriminalamt erstellten Informationen zu dem durch das durch Amri ausgehende Sicherheitsrisiko habe der Beamte erst nach dem Anschlag erfahren. Auch über die Tatsache, dass Amri mehrmals im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum thematisiert worden war, sei der Beamte nicht informiert gewesen.
Am 6.5.2016 war der Zeuge Amri zum ersten Mal während einer Gefährderansprache begegnet. Die Frage, wie er eine Gefährderansprache hatte durchführen können, ohne sich des durch Amri ausgehenden Sicherheitsrisikos bewusst gewesen zu sein, beantwortet der Zeuge damit, dass die Ansprache aufgrund eines Aufenthaltsverstoßes erfolgt sei: „uns war nicht bekannt, dass er so ein Gefahrenpotential hatte.“
Der kurz zuvor in Berlin eingetroffene Amri sei bei der Gefährderansprache lediglich aufgefordert worden Berlin wieder zu verlassen, sei dieser Aufforderung aber nicht nachgekommen. Auch habe es keine rechtliche Möglichkeit gegeben, die Zielperson dazu anzuhalten, der Aufforderung Folge zu leisten. Wie und warum es zu der Gefährderansprache des späteren Attentäters gekommen war, bleibt unklar.