Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,
Bei näherer Recherche der Umstände, die zu dem Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz vom 19. Dezember 2016 geführt haben, ist davon auszugehen, dass erst die augenscheinlichen Versäumnisse im Verantwortungsbereich der deutschen Nachrichtendienste den Anschlag ermöglicht haben.
Zumal im Wiederspruch zu den behördlichen Angaben und bei einer objektiven Analyse der diesbezüglichen Fakten davon auszugehen ist, dass die bereits erfolgte Kompetenzerweiterung der deutschen Nachrichtendienste zu einem früheren Zeitpunkt nicht zu einer Verhinderung des Terroranschlages geführt hätte, da die hierfür erforderlichen technischen als auch gesetzlichen Möglichkeiten zum Tatzeitpunkt bereits gegeben waren. Auffällig ist außerdem, dass den involvierten Behörden trotz ihrer Versäumnisse ein nicht unerheblicher politischer Vorteil durch die so erwirkte Erweiterung bestehender Kompetenzen als Konsequenz des Terroranschlages entstanden ist.
In diesem Zusammenhang ist selbstverständlich zu berücksichtigen, dass die Arbeitsmethoden und Vorgehensweisen der Nachrichtendienste des Bundes gemäß des gesetzlichen Auftrags aus § 1 Absatz 2[1] des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst als besonders schutzwürdig eingestuft werden. Da sich der Terroranschlag aber gegen die demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gerichtet hat, sollten die Interessen der Bundesbürger zusätzlich durch eine vollständige und nachhaltige Aufklärung der Hintergründe des Terroranschlages vom 19. Dezember 2016 geschützt werden. Eine transparente Kommunikation der Verwaltungsaktivitäten ist außerdem grundliegende Voraussetzung für die Gewährleistung der politischen Willensbildung der Wahlgemeinschaft und tragendes Fundament der demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik.
In Anbetracht des Gewichtes des in dieser Angelegenheit betroffenen öffentlichen Interesses, ist eine Geheimhaltung der Ermittlungen unter dem Vorwand des Schutzes der Arbeitsweisen involvierter Behörden vollkommen unverhältnismäßig. Zumal der erweiterte Staatsschutz bislang auf der Grundlage eines nicht vollständig aufgeklärten Verbrechens zu erfolgen scheint.
Außerdem sind die in diesem Rahmen erfolgten Anfragen der Opposition, im Verhältnis zu den undurchsichtigen Umständen und dem Ausmaß des Terroraktes, bei dem zwölf Menschen ihr Leben verloren und über Fünfzig Zivilisten teils schwer verletzt wurden (dabei ist zu erwähnen, dass ohne den integrierten Bordcomputer des Tatfahrzeuges die Zahl der Opfer sehr viel höher gewesen wäre), als vergleichsweise zaghaft zu bezeichnen.
Sind die bestehenden Kontrollinstanzen der Nachrichtendienste des Bundes in Anbetracht der politischen, finanziellen und technischen Ressourcen der involvierten Abteilungen des Ministeriums des Innern, gegenüber den gesamtpolitischen Interessen der Öffentlichkeit als verhältnismäßig zu bezeichnen? Es stellt sich hier auch die Frage, ob die Interessen einer über wichtige Aktivitäten der Verwaltung unvollständig informierten Öffentlichkeit in der politischen Entscheidungsfindung ausreichend vertreten sind und sein können.
Besorgniserregend ist in diesem Zusammenhang vor allem auch die Tatsache, dass die in dieser Affäre bestehenden Versäumnisse innerhalb behördlicher Verantwortungsbereiche eine Erweiterung der Kompetenzen und Einflussbereiche derselben, für die Versäumnisse verantwortlichen Behörden zur Folge zu haben scheinen und dieser gravierende Sachverhalt in der politischen Debatte nicht thematisiert wird.
Mit freundlichen Grüßen
Sarah Körfer
Gesendet am 15.04.2017 an den Bundestag und am 21.04.2017 an den Bundesrat
[1] Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz – BNDG): http://www.gesetze-im-internet.de/bndg/BJNR029790990.html#BJNR029790990BJNG000100305