Zwischen dem 25. April und dem 02. Mai 2017 habe ich 630 persönliche Anschreiben mit dem Betreff „Klärung der Verantwortlichkeit Deutscher Nachrichtendienste beim Terroranschlag in Berlin“ an sämtliche Abgeordnete des Bundestages gesandt.
Die darauf erfolgten Schriftwechsel waren, entsprechend der Meinungen der Fraktionsvertreter zu diesem Thema, sehr unterschiedlich. Im Rahmen dieser Schriftwechsel habe ich in Erfahrung gebracht, dass es in der Vergangenheit Unternehmungen bzw. politisch motivierte Schritte gegeben hat, die das Ziel hatten, den Verfassungsschutz abzuschaffen. An dieser Stelle möchte ich klarstellen, dass ich persönlich die Auffassung, dass die Existenz von Nachrichten- bzw. Geheimdiensten generell als potentieller Risikofaktor für demokratische Strukturen aufzufassen ist, nicht teile [Mittlerweile vertrete ich diese Auffassung aufgrund der in der Zwischenzeit gesammelten Erkenntnisse nicht mehr. Anmerkung vom 24.7.2019]. Der nicht zu leugnenden Bedrohung, welche von internationalem, religiös animiertem Terrorismus ausgeht, kann und muss mit entsprechend organisierten Sicherheitsnetzwerken präventiv entgegengewirkt werden. Allerdings dürfen solche Netzwerke und deren zugrundeliegende Strukturen keine Selbstläufer werden. Behördliche Einrichtungen, die sich den Kontrollen öffentlicher Systeme entziehen, stellen nichtsdestotrotz ein Risiko für demokratische Regierungsformen und deren Legitimierung dar und sollten sich den Kontrollen und der öffentlichen Aufsicht nicht entziehen können. Die, bislang weiterhin völlig intransparent bleibende Rolle, welche die Nachrichtendienste beim Terroranschlag in Berlin gespielt haben, ist ein weiteres Beispiel, welches diese Forderung stützt.
Der genaue Wortlaut meiner Anfrage an die Abgeordneten des Bundestages:
Klärung der Verantwortlichkeit Deutscher Nachrichtendienste beim Terroranschlag in Berlin
Sehr geehrte/r Frau /Herr […],
am 15. April 2017 habe ich eine Anfrage an den Bundestag gesandt (siehe Anhang [1]). Bei der Anfrage handelte es sich um die Klärung der Verantwortlichkeit deutscher Nachrichtendienste beim Zustandekommen des Terroranschlages in Berlin am 19. Dezember 2016. In diesem Zusammenhang hat es offensichtliche Versäumnisse gegeben. Als aktives Mitglied einer Volkspartei bin ich davon überzeugt, mit Ihnen die Grundlage gemeinsamer politischer Richtlinien und Werte zu teilen.
Sie als Abgeordnete und Vertreterin des einzigen direkt vom Volk gewählten Verfassungsorgans der Bundesrepublik Deutschland tragen eine besondere Verantwortung die auf demokratische Werte bezogenen Interessen eines jeden Bundesbürgers zu vertreten.
Dieser Regierungsauftrag erfordert ein kritisches Hinterfragen komplexer politischer Sachverhalte, die Bürgern, die sich nicht regelmäßig mit politischen Zusammenhängen befassen und die auch keine Verantwortung tragen diese im Detail zu bewerten, oftmals nicht ersichtlich sind. Darum muss diesem Auftrag ein besonderer Stellenwert zum Schutz der Verfassung und der hierin verankerten demokratischen Grundordnung angerechnet werden.
Die Grundwerte einer demokratischen Regierungsform dürfen unter keinen Umständen hinterfragt noch in irgendeiner Hinsicht kompromittiert werden. Dies darf auch nicht durch Verwaltungseinrichtungen der Bundesregierung selbst geschehen. Hier ist allerdings anzumerken, dass die dem Migrationszuwachs oft zugeschriebenen, extremistischen Einflüsse und die damit „deutlich veränderte Sicherheitslage“ der Bundesrepublik (BMI) einen solchen politischen Kompromiss voraussetzen.
Zum Schutz der Verfassung und zur Sicherung der innenpolitischen Stabilität wurden bislang vorrangig rechts- und linkspopulistische Parteien auf Verfassungsverträglichkeit und Rechtsstaatlichkeit überprüft. Allerdings dürfen einzelne Behörden und deren Aktivitäten von dieser Kontrollfunktion des Staates nicht ausgeschlossen werden. Denn die Behauptung, eine mögliche Bedrohung der deutschen Grundrechte und demokratischen Werte gehe vorwiegend aus islamistischem Terror hervor, ist schlicht Augenwischerei.
Eine weitere grundlegende Frage, die sich unter den neuen Aspekten der innenpolitischen Sicherheitslage stellt, ist außerdem, ob die bestehenden Instanzen zur Kontrolle deutscher Nachrichtendienste den diesen Behörden gegebenen technischen und politischen Kompetenzen noch verhältnismäßig gegenüberstehen oder ob dieser Gegenstand unter dem Gesichtspunkt der den nachrichtendienstlichen Behörden zugeordneten Aufgaben bislang nicht thematisiert wurde. Fakt ist, dass auf der Grundlage bisher nicht vollständig geklärter Umstände nicht nur eine Erweiterung behördlicher Kompetenzen zu Lasten der Grundrechte deutscher Bundesbürger stattgefunden hat, zusätzlich wurde diese Kompetenzerweiterung veranlasst, ohne dass die Kontrollinstanzen entsprechender Behörden nachgezogen sind.
Meine Frage an Sie lautet daher: Wie demokratisch ist die Bundesrepublik?
[1] Das am 15. April 2017 erfolgte Anschreiben an den Bundestag habe ich in dem Post Anfrage beim Bundestag zum Terroranschlag in Berlin veröffentlicht: http://telaviv-berlin.com/?p=326