17. Sitzung Untersuchungsausschuss „Terroranschlag Breitscheidplatz“

Am 7. September 2018 um 10:12 Uhr leitet Stephan Lenz, der neue Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, die 17. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Terroranschlag Breitscheidplatz“ im Berliner Abgeordnetenhaus ein. Als neuer Fraktionschef der CDU hatte der erste Vorsitzende Burkard Dregger auf Drängen des Abgeordneten Benedikt Lux den Vorsitz des Untersuchungsausschusses abgegeben[1]. Burkard Dregger ist, wie auch sein Nachfolger, Jurist und hielt den Vorsitz des 1. Untersuchungsausschusses „Terroranschlag Breitscheidplatz“ seit dessen Einsetzung im Juli 2017. Dementsprechend war auch, im Gegensatz zu einem Wechsel, die inzwischen gewonnene Erfahrung der Person des Vorsitzenden ein relativer Vorteil für die Effizienz des Ausschusses. Burkard Dregger war und ist ein loyaler Vertreter seiner Partei, daran besteht kein Zweifel. Dennoch konnte Herrn Dregger auch in seiner neutralen Funktion als Mitglied des Untersuchungsausschusses eine objektiv-kritische Haltung als dessen Vorsitzender nicht abgesprochen werden. Der Eintritt eines plötzlichen Sinneswandels als neuer Fraktionschef der CDU war somit eher unwahrscheinlich. Mit seinen persönlichen Beiträgen hat Benedikt Lux einer zielführenden Entwicklung der Sitzungen eher geschadet als dass er zu deren zweckgebundenem Verlauf beigetragen hätte. Zumal der Forderung nach einem Vorstandswechsel  auch vorausgesetzt werden musste, dass die Loyalität des Stephan Lenz als Landtagsabgeordneter gegenüber seiner Partei geringer wäre als die von Burkard Dregger als Fraktionschef. Solche Gedankengänge sind schlicht nicht nachvollziehbar. Aber das sind die Konstellationen des Untersuchungsausschusses ohnehin sehr selten.

Der erste an diesem Tag geladene Zeuge ist ein fünfundfünfzig-jähriger Beamter des Dezernats 21 des nordrheinwestfälischen Landeskriminalamts. Das Dezernat 21 bearbeitet die Aufgabengebiete der Gefahrenabwehr und  das Sonderordnungsrecht zu dem unter anderem Ausländerrecht und Internetaufsicht zählen[2]. Der Zeuge gibt an seit 30 Jahren im Kriminalbereich und seit dem Jahr 2014 im Spezialbereich islamistischer Terrorismus beschäftigt zu sein. Seine Aufgabe sei es „vorhandene Erkenntnisse zu verdichten und neue Erkenntnisse zu gewinnen“. Wie er sich auf diese Sitzung vorbereitet habe, will Stephan Lenz von dem Beamten wissen. Der Zeuge antwortet, dass er ja keine schriftlichen Dokumente zur Sitzung habe mitbringen dürfen und sich daher aufgrund der Komplexität der von ihm zu beschreibenden Sachverhalte und deren Chronologie überfordert gefühlt habe. Andererseits sei ihm von seinem Arbeitgeber mitgeteilt worden, dass die Untersuchungsausschüsse kein gerichtliches Umfeld darstellen würden und „nett“ wären. Und viel sagen wird der Zeuge im Verlauf des öffentlichen Teils der Sitzung ohnehin nicht; wiederholt verweist er auf den nichtöffentlichen Teil der Sitzung, manchmal gibt er auch an, überhaupt keine Angaben machen zu dürfen: „ich weiß nicht, ob mein Aussagerecht überhaupt so weit reicht“.

Zu Amri gibt der Zeuge auf die Frage des Vorsitzenden an, dass sich mit ihm, dem Zeugen, fünf Personen (bezogen auf das Dezernat 21 des Landeskriminalamt Nordrheinwestfalen) mit Amri befasst hatten und dass das Verfahren bei internen Sitzungen „ein Riesenthema“ gewesen sei. Erfolglos habe man versucht den Gefährder von der „Straße zu holen“. Diese Aussage widerspricht allerdings den Fakten denen zufolge man entscheidende Informationen über kriminelle Aktivitäten des Terroristen zurückgehalten habe und wissentlich von einer strafrechtlichen Verfolgung Amris abgesehen hatte. Dennoch werden zu diesen Widersprüchen keine Fragen gestellt. Überhaupt werden durch die Presse oder in vorherigen Sitzungen gewonnene Erkenntnisse weder in einen Zusammenhang mit neuen Zeugenaussagen gestellt noch werden die Aussagen und deren regelmäßige inhaltliche Widersprüche systematisch hinterfragt. Auf einen Wahrheitsgehalt überprüfen lassen sich diese behördeninternen Angaben durch die externe Instanz der Vertreter des Untersuchungsausschusses ohnehin nicht.

Die einzige Möglichkeit den Sitzungen zu der ihnen angedachten Aufgabe der Wahrheitsfindung zu verhelfen, wäre es bei widersprüchlichen oder inhaltlich unwahrscheinlichen Zeugenaussagen systematisch nachzufragen. Aber das tut niemand. Als gegen Ende des ersten Teils der öffentlichen Sitzung dann der Abgeordnete Hakan Taş den Zeugen P2 fragt, welche Rolle er im Ermittlungsverfahren Ventum hatte, antwortet der Zeuge “Gar keine“. Er kenne den Komplex des Ermittlungsverfahrens Ventum nicht. „Herr N. hat uns gesagt, dass Sie im EK Ventum sein

Nachfolger gewesen seien“ unterrichtet der Abgeordnete den Zeugen. “Das ist falsch, nein” antwortet der. Kurz darauf wird der erste Teil der öffentlichen Sitzung mit einer weiteren offenen Frage und einer weiteren, inhaltlich widersprüchlichen Zeugenaussage geschlossen und die Vertreter der Presse verlassen Raum 113 des Berliner Abgeordnetenhauses um kurz vor eins mit demselben Kenntnisstand, über den sie beim Betreten des Raums um kurz vor 10:00 Uhr verfügten.

 

[1] Welt online: „Benedikt Lux: Dregger muss Vorsitz von

Untersuchungsausschuss abgeben“; https://www.welt.de/regionales/berlin/article177013548/Benedikt-Lux-Dregger-muss-Vorsitz-von-U-Ausschuss-abgeben.html

[2] Bezirksregierung Düsseldorf: Dezernat 21 Ordnungsrechtliche Angelegenheiten, Staatshoheitsangelegenheiten, Ausländerrecht, Stiftungsaufsicht, Enteignung (aufgerufen am 10.09.2018): https://www.brd.nrw.de/organisation/abteilung2/21/index.html

[3] Berliner Abgeordnetenhaus: 1. Untersuchungsausschuss „Terroranschlag Breitscheidplatz“: https://www.parlament-berlin.de/C1257B55002AD428/vwContentbyKey/W2AP2GBD045WEBSDE/$FILE/Einsetzungsbeschluss.pdf

 

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