Am 19. Dezember 2016 wurde in der Bundesrepublik Deutschland auf dem Berliner Breitscheidplatz der bislang schwerwiegendste Terroranschlag radikalislamischer Hintergründe verübt. Bei den auf den Terroranschlag folgenden Ermittlungsarbeiten wurde die Sicherung der Spuren in der Führerkabine des Tatfahrzeugs für mehrere Stunden ausgesetzt. Dieser Umstand führte zu einer erheblichen Verzögerung bei der Identifizierung des Täters und der darauf folgenden Täterfahndung und stellt eine weitere Auffälligkeit dar bei der ermittlungstechnischen Handhabung des Terroranschlags.
Nachdem die Verzögerung der polizeilichen Auffindung des Ausweisdokumentes des Attentäters Anis Amri zunächst damit erklärt worden war, dass man den Geruch des Attentäters für die spätere Spurensuche mit Personenspürhunden nicht durch Fremdgerüche habe vermischen wollen, wurde durch eine Zeugin, die während der 78. Sitzung des Untersuchungsausschusses im Bundestag ausgesagt hatte, auf die Gefahr von in der Führerkabine deponierten Sprengstoff hingewiesen, die man vor der Spurensuche habe ausschließen müssen. Sofort wiederlegt werden konnte diese Erklärung jedoch mit dem Hinweis darauf, dass die Führerkabine des Sattelschleppers bereits kurz nach dem Anschlag durch mehrere Beamte betreten worden war.
Bei der nächsten Sitzung des Untersuchungsausschusses ‚Terroranschlag Breitscheidplatz‘ wird unter anderem diesem Sachverhalt nachgegangen. In einer letzten Erklärung des Landeskriminalamtes hieß es, dass die erhebliche Verzögerung der Auffindung des Dokumentes das zur Identifikation des Attentäters geführt hatte, auf die unübersichtliche Auffindungssituation in der rund zwei Quadratmeter messenden Führerkabine des Sattelschleppers zurückzuführen sei. Die Beamten der Spurensicherung hätten das im Fußraum der Führerkabine befindliche Dokument daher zunächst übersehen.
Der auffällige Umstand, dass Attentäter nach Terroranschlägen wiederholt Ausweispapiere an den Anschlagsorten zurückließen, wurde durch Sachverständige bereits vor dem Anschlag mit einem Tätermuster zu erklären versucht: durch das Hinterlassen von Ausweisdokumenten würden Terroristen sich zu den Anschlägen bekennen, eine Art „Visitenkarte“ hinterlegen.
Auch die Attentäter die Anfang 2015 die Redaktion der Zeitung „Charlie Hebdo“ in Paris gestürmt hatten und einer der Urheber der Terroranschläge von Paris, die am 13. November 2015 verübt worden waren, ließen in ihrem Auto Identitätsdokumente zurück. Bei dem Terroranschlag in Nizza, der ein halbes Jahr vor dem Terroranschlag in Berlin verübt worden war, wurde der Ausweis des Attentäters ebenfalls in der Führerkabine des als Tatwaffe genutzten LKW gefunden. Ebenso wie Amri war der Terrorist Mohamed Lahouaiej Bouhlel mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge gerast.
Umso unerklärlicher erscheint die Frage, warum man mit dieser Vorkenntnis der Täterprofile die Spurensicherung im Tatfahrzeug nicht mit entsprechendem Nachdruck betrieben hatte. Auch die Frage, wie die Spurensicherung auf einer Fläche von zwei Quadratmetern den entscheidenden Hinweis, der zur kurzfristigen Auffindung eines bewaffneten und flüchtigen Terroristen hätte beitragen können hatte übersehen können, bleibt weiterhin offen.